Hannibal | Staffel 1 | Serie 2013-2015 | Moviebreak.de (2024)

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Kritik

Lange schien es so, dass Thomas Harris’ kannibalischer Psychopath Dr. Hannibal Lecter ohne die brillante Verkörperung von Anthony Hopkins nie mehr zum Leben erweckt werden würde. Nach dem eher enttäuschenden „Hannibal Rising“ sind alle Unternehmungen, die Ikone Hannibal wieder zum Leben zu erwecken, auch mit einem gewissen Risiko verbunden, hat Harris doch seit 2006 keine literarische Vorlage mehr geliefert.

Der auf Serien spezialisierte Drehbuchautor und Produzent Bryan Fuller (“Star Trek: Voyager“, „Heroes“) bewies nun Mut und ging das Wagnis ein, eine Serie rund um Lecter zu produzieren und maßgeblich voranzutreiben. Die erste Staffel, die ab sofort ungekürzt auf DVD und Blu-Ray erhältlich ist, basiert lose auf Harris’ Thriller „Roter Drache“ und fokussiert sich auf dessen Vorgeschichte. Alle in „Roter Drache“ bekannten Charaktere werden in Stellung gebracht und mehrere Handlungsfäden verdichten sich zu einem hochspannenden Duell zwischen dem Profiler Will Graham und seinem Psychologen Dr. Hannibal Lecter. Thomas Harris selbst hat der Serie „Hannibal“ zwar seinen Segen gegeben, war aber nicht an deren inhaltlicher Ausgestaltung beteiligt.

Folgende Kritik soll zunächst einmal mit lobenden Worten beginnen, bevor auch einige Negativpunkte beleuchtet werden. Und zwar stechen von Anfang an die darstellerischen Leistungen heraus. Der Däne Mads Mikkelsen hat sich mittlerweile einen starken Ruf als Charakterdarsteller aufgebaut und übernahm die Rolle des Hannibal Lecter. Eigentlich eine schwere Bürde könnte man meinen, doch Mikkelsen liefert eine wahrhaft brilliante Performance ab, die Anthony Hopkins zumindest im Rahmen dieser Serie vergessen macht. In Interviews gab der Däne zu verstehen, dass die Darstellung des Serienmörders ein wahres Vergnügen für ihn gewesen sei, wäre Lecter doch ein Genießer, zufrieden mit sich und seinem Leben und durch nichts aus der Ruhe zu bringen.
Erst nachdem man die ganze Serie gesehen hat und nochmals auf sich wirken lässt, versteht man wie beeindruckend Mikkelsen seine Rolle verkörpert und bis zum großen Showdown nach und nach gesteigert hat. Der dem größeren Publikum eher unbekannte Brite Hugh Dancy spielt als FBI-Profiler Will Graham ebenfalls sehr mitreißend und deckt dabei die komplette Palette an Emotionen ab. Mit der Fähigkeit tief in den Verstand von Mördern und Psychopathen eindringen zu können hilft Graham zwar bei der Aufklärung von Mordfällen, treibt sich dabei aber selbst an den Rand des Wahnsinns. Hier kommt Hannibal Lecter ins Spiel, der nun gleichzeitig Therapeut und Berater für Graham wird und ihn zusätzlich zu dessen eigenen perfiden Unterhaltung manipuliert.

Wer „Roter Drache“ gelesen hat, wird merken, dass diese beiden Charaktere sehr nah an das Buch angelegt sind und gerade deshalb das Zusammenspiel so gut funktioniert. Es macht jedenfalls Spaß den beiden zuzuschauen, vor allem weil sich einige brilliante Dialoge ergeben, denen man fast schon Kultstatus zuschreiben könnte. Solche psychologisch fein ausgearbeiteten und abgründigen Charaktere jedenfalls hat man so bisher in keiner aktuellen Serie gesehen. Zumal der Zuschauer von Anfang an weiß, dass Lecter ein Mörder ist, der Ermittler Graham jedoch völlig im Dunkeln tappt.
Andere Darsteller wie Laurence Fishburne oder Gillian Anderson spielen im Vergleich zu vielen B-Movies, in denen beide zuletzt präsent waren, ebenfalls stark auf, stehen aber nicht wirklich im Mittelpunkt des Geschehens.
Fuller und seine Drehbuchautoren haben genügend Anspielungen auf die bisherigen Filme und Bücher eingebaut, um auch Fans bei Laune zu halten. All jene, die mit den Hannibal-Geschichten bisher keinerlei Berührungspunkte hatten, brauchen allerdings keine Vorkenntnisse.

Für eine TV-Serie, die von einem Mainstream-Sender wie NBC gesendet wird, traut sich „Hannibal“ so einiges. Die Themen und der Aufbau vieler Folgen sind zwar aus anderen Thriller- oder Krimiserien bekannt, doch „Hannibal“ schafft es auf faszinierende Art und Weise tief in die Gedankenwelt des Ermittlers Graham einzutauchen und vermag dies auch in bedrückenden Bildern zu visualisieren, vor allem im Hinblick auf die kranken Phantasien der Täter und das Leiden der Opfer. In der Serie geschieht dies durch blutige Rückblicke am Tatort. „Hannibal“ so brutal, düster und verstörend, wie man es eher von Filmen wie „Saw“ gewohnt ist, ohne dabei jedoch in eine Splatterorgie auszuarten.
Die Spezialeffekte, der visuelle Look und besonders die Kameraführung sind durchweg auf dem Niveau von Kinoproduktionen, jedoch spielt wohl aus Kostengründen ein Großteil der Szenen in Innenräumen. Von der Ausstattung einer HBO-Serie ist man dann doch Lichtjahre entfernt.

Nach all dem Lob gibt es jedoch auch einige Schwachpunkte, die man nicht unerwähnt lassen sollte. Die erste und fulminant von David Slade inszenierte Folge schmeißt den Zuschauer gleich mitten ins Geschehen und stellt die Weichen für eine komplexe und spannende Handlung. Doch eben diese Handlung tritt im Laufe der Staffel mehr und mehr in den Hintergrund und verkommt zur losen Rahmenhandlung, die sich bis zum extrem schweißtreibenden Finale eher als roter Faden durch die Staffel zieht. Dazwischen muss Will Graham klassische Serienkiller-Fälle lösen, die mehr als einmal an die Kultserie „Akte X“ erinnern. Meist gibt es zu Beginn einer Folge einen mysteriösen Mord, den sich keiner erklären kann. Bis Will Graham gerufen wird, der sich in die Gedankenwelt eines Mörders einklinken kann und so fast jeden Fall zu lösen vermag – als Nebeneffekt jedoch immer schizophrener wird. Pro Fall hat er jedoch gerade einmal 42 Serien-Minuten Zeit, abzüglich eben jener Zeit, die für die Rahmenhandlung draufgeht. Spannung und Charaktere, die nur in einer Folge auftauchen, können sich da nicht entwickeln und so werden die Fälle oft unlogisch und unspektakulär, teils sogar auf alberne Weise, aufgelöst. Im Lauf der 13 Folgen gibt es dann auch einige sich wiederholende Schemata, welche folglich zu einer gewissen Vorhersehbarkeit führen. Das ist zwar immer noch extrem unterhaltsam und jederzeit optisch ein Hingucker. Aber die Ideen wiederholen sich in mehreren Folgen, welche von den Drehbuchautoren oft zu konstruiert wirken und den Zuschauer so leider auch vom Konflikt zwischen Hannibal und Graham abgelenken. Apropos Hannibal. In zuvor genannten „Wer ist der Mörder?“-Folgen kommt er natürlich so gut wie nicht vor und wird in gut der Hälfte der Staffel zur Randfigur degradiert. Das ist zu wenig, denn schließlich wurde die Serie ja nach dem bekannten Doktor der Psychologie benannt.
Man kann trotzdem gespannt auf die zweite Staffel sein, die kürzlich abgedreht wurde. Es ist zu vermuten, dass nach dem Season-Finale hauptsächlich Lecter und Graham im Mittelpunkt stehen werden. Auch einige interessante weibliche Charaktere bekommen hoffentlich mehr Raum zur Entfaltung, denn „Hannibal“ ist eine sehr männerdominierte Serie, in der Frauen hauptsächlich zu Mord- und Gewaltopfern degradiert werden.
Laut Fuller soll schließlich mit der dritten Staffel „Roter Drache“ verfilmt werden, gleichzeitig bemüht man sich um die Rechte an „Das Schweigen der Lämmer“.

Staffel 1 von „Hannibal“ verteilt sich auf drei Blu-Rays in 16:9 Vollbild. Bild und Ton sind hervorragend. Wobei das Bild trotz durchweg toller Schärfe in manch dunkler Szene etwas körnig ist, was sicherlich auf Verfremdungsfilter zurückzuführen ist. Das Bonusmaterial ist für eine Serie außergewöhnlich umfangreich. Es gibt viele Interviews und Einblicke in die Dreharbeiten und Spezialeffekte, die die Entstehung der Serie ausführlich dokumentieren.
Lobend erwähnen muss man auch die deutsche Synchronisation, die genau die Emotionen transportiert, die notwendig sind. Der deutschen Version dürften einige Untertitel-Muffel den Vorzug geben, da insbesondere Mads Mikkelsen oft unverständlich nuschelt und so viele Details in der doch sehr dialoglastigen Serie untergehen.

Fazit

Oberflächlich betrachtet ist „Hannibal“ eine solide, etwas vorhersehbare und sehr dialoglastige Crime-Thriller-Serie, die Fans des Genres aber auf jeden Fall einmal antesten sollten. Was die Serie so besonders macht, ist die extrem gelungene düstere Atmosphäre, die eigenwillige visuelle Inszenierung und vor allem auch das spannende Zusammenspiel zwischen dem FBI-Profiler Will Graham und dem ihm überlegenen Psychopathen Dr. Hannibal Lecter. Gerade was dieses Duell anbelangt, hat die Serie für weitere Staffeln noch viel Luft nach oben.

Kritik: André Schiemer

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